Myoreflextherapie für Kinder
Die Myoreflextherapie als eine Grundlage für erweiterte Behandlungskonzepte bei Kindern gründet in der Begegnung von Kurt Mosetter mit einem seiner wichtigsten Lehrer, ärztlichen Vorbilder und Mentoren, Dr. med. Tillmann Goerttler, 1988 in Badenweiler. Als Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie und manuelle Therapieverfahren war er einer der Pioniere der Atlastherapie. In seinen Lehrjahren bei ihm erlebte Mosetter jeden Tag "wundersame" positive Veränderungen bei Kindern mit der Problematik Skoliose, Schiefhals, KISS (Kopfgelenk-induzierte Symmetrie-Störung), auffälligem Schreiverhalten und orthopädischen Reifungsstörungen wie Morbus Perthes, Morbus Osgood Schlatter oder Morbus Scheuermann.
Besonders beeindruckend waren jedoch die Effekte der Atlastherapie auf Kinder mit den komplexen neuropädiatrischen Erkrankungsbildern, wie Infantiler Zerebralparese, Spastizität, Tetraplegie, Halbseitensymptomatik, Lissenzephalie und kortikaler Dysplasie. Die starke regulative Wirkung der manualtherapeutischen Verfahren im Miteinander mit den Kindern, die Verhaltensauffälligkeiten, ADHS, Schlafstörungen, Sehstörungen und statomotorische Entwicklungsverzögerungen zeigen, prägte die Entwicklung der Myoreflextherapie mit Kindern bis heute. Besonders sei an dieser Stelle Dr. Goerttler erwähnt, weil sein Rat als Experte der Atlas- und Manualtherapie die grundlegende Überzeugung Kurt Mosetters stützte, dass es die neuromuskuläre Führung ist, welche Gelenke blockiert oder aber die Entwicklung freigeben kann.
Die muskelmodifizierte Atlastherapie, die Begründung der Myoreflextherapie und die Gestaltung neuer Ausbildungswege wurden durch Dr. Goerttler begleitet bis zu seinem Tod 1995. Eine außergewöhnliche pädiatrische Ausbildung hochschulmedizinischer Prägung kam im Rahmen des praktischen Jahres unter der Führung von Prof. Dr. Hans-Ulrich Schwenk in der Kinderklinik Konstanz 1995/1996 hinzu. Als erfahrener Experte mit einem photographischen Gedächtnis erkannte er jedes noch so seltene Syndrom, beherrschte komplexe Stoffwechselerkrankungen aus dem Stegreif, verfügte über einen sicheren differentialdiagnostischen Blick und motivierte zum Studieren der klinischen Details. Gemeinsame Visiten mit eindrücklichen Unterweisungen, zum Beispiel über Hypoglykämien und die Differentialdiagnosen genetisch assoziierter Behinderungen sind unvergesslich.
Trotz (und gerade wegen) seiner Perfektion erlaubte Prof. Dr. Schwenk seinem "Lehrling", die Kinder in der Klinik mit dem noch neuen Konzept der Myoreflextherapie zu behandeln. Über die Jahre in der Kinderklinik hinaus besteht bis heute eine konspirative Zusammenarbeit mit dem damaligen Oberarzt, Ultraschallexperten und Kinderkardiologen Thomas Seiler. Selbst im Ruhestand steht Prof. Dr. Schwenk auch heute noch bereit, unserem Team, Eltern und Kindern in kritischen Entscheidungen eine zweite oder dritte Supervisionsmeinung zu geben und weiterzuhelfen.
Eine weitere essenzielle Quelle für einen auf mehreren Ebenen kompetenten Umgang mit Kindern war und ist der blinde Musiktherapeut Wolfgang Fasser. Speziell in der Begegnung und Betreuung von schwer behinderten Kindern, Kindern mit Epilepsie, autistischen Störungen und Verhaltensauffälligkeiten ist seine Inspiration, sein Wissensschatz, die Achtsamkeit und sein "liebender Blick" ein Geschenk für alle Betroffenen. Von 1997 bis heute hat die enge und freundschaftliche Zusammenarbeit unsere Arbeit und Denkkultur wesentlich beeinflusst.
Einen guten Einblick in die Arbeit von Wolfgang Fasser gibt der Film Im Garten der Klänge, in welchem die Entwicklung von vier Kindern mit stärksten Behinderungen über einen Zeitraum von zwei Jahren mitverfolgt werden kann. Besonders eindrücklich ist die Entwicklung von Jenny: Durch die Stärkung und Mobilisierung aller Ressourcen, intensive Arbeit und nicht zuletzt den Glauben an ihre Fähigkeiten schaffte Jenny "das Wunder" und studiert seit 2011 Kommunikationswissenschaften in Florenz. Wolfgang Fasser und Reiner Mosetter begründeten den Begriff "ansteckende Gesundheit" für die Grundidee der Musiktherapie, der Myoreflextherapie und der Entwicklungsaktivierung. Mit dem "Blick dahinter" können dem Unsichtbaren und Geheimnis Tore geöffnet werden. Im Erkennen des Wertes einfacher Dinge, wenn beeinträchtigte Kinder ein Echo finden, wenn sich Berührung, Kontakt und Bindung ereignen können, können sich Kinder im Miteinander entfalten und Einschränkungen überwinden lernen.
Die regelmäßige Weiterbildung, Supervision und enge Zusammenarbeit mit dem anthroposophisch geprägten Facharzt für Kinderheilkunde Dr. Victor von Toenges in Lustmühle/St. Gallen trug weitere Fundamente bei. Von 1999 bis 2011 lernte Kurt Mosetter, Kinderkrankheiten, Entwicklungsstörungen und "auffällige Kinder" anders zu sehen. Von Monat zu Monat, mit jedem Jahr, offenbarte sich immer mehr, wie wesentlich eine gesunde und natürliche Ernährung, ein gesunder Darm, Bewegung, Erziehung, soziales Umfeld und Familie für die "Gesundung" von Kindern sind. Auch in der homöopathischen Versorgung, dem Erkennen von Mineral-, Vitamin- und Nährstoffmangelzuständen sowie der individuellen, gezielten Substitution war der brüderliche Freund Victor von Toenges ein erfahrener Pionier und Lehrmeister. Seine differenzierten Kenntnisse im Bereich Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Lactose-, Gluten-, Kasein-Intoleranzen und Allergien haben unseren "biochemisch geprägten" Blick hinsichtlich schlechter, kurzkettiger Kohlenhydrate und schädlicher Zucker im Fachbereich Kinderheilkunde erweitert und bestätigt. In der Tradition von Rudolph Steiner flankierte Victor von Toenges unsere Erkenntnisse um das Ersatzkohlenhydrat Galactose mit den anthroposophischen Begriffen "Gehirn- und Kommunikationszucker".
Bereits lange vor unseren wissenschaftlichen Untersuchungen des Galactose-Stoffwechsels an der Charité in Berlin von 1995 bis 2010 wurde die Galactose von führenden Kinderärzten gezielt eingesetzt. Über die intensive Gabe von Galactose bei frühgeborenen Säuglingen mit Hypoglykämie-Problematik wurden schon in den 1980-er Jahren wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht. Mit der oralen Gabe von Galactose können der Stoffwechsel in Gang gesetzt und der "Entzug" von toxischen Süßgetränken und Ernährungsumstellungen bei Kindern erleichtert werden. Im Zusammenhang mit ketogenen Ernährungskonzepten bei Kindern mit Epilepsie kann die insulinunabhängige Galactose Energiekrisen abpuffern und den Behandlungsplan wesentlich erleichtern.
Darüberhinaus spiegelt sich auch die Kompetenz von Gottfried Fischer, dem leider inzwischen verstorbenen Begründer der Psychotraumatologie in Deutschland und Professor für klinische Psychologie, im "Kinderwissen" der Myoreflextherapie wider. Über mehr als 25 Jahre wurde die Konzeption und Entwicklung der Myoreflextherapie durch seinen wachen Geist, seinen geschulten Blick, seinen differenzierten Spürsinn und den umfassenden Wissensbereich der Psychotraumatologie kultiviert. So sind zum Beispiel Verhaltensauffälligkeiten, Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrome, Essstörungen und Depressionen bei Kindern in der Regel eben nicht primär genetisch oder neurobiologisch determiniert, sondern gründen häufig in traumatischer Belastung, chronischem Stress, übersozialisiertem oder untersozialisiertem Bindungsverhalten.
Ganz bestimmt sind die vielen – zwischen 1992 und 2008 um das 75-fache angestiegenen – Verschreibungen des Anti-ADHS-Arzneimittels Ritalin nicht auf veränderte Gene oder defekte Gehirnstrukturen zurückzuführen. Die Studienlage zeigt, dass es das ADHS-Gen nicht gibt! Tatsächlich finden sich bei Kindern mit der Diagnose ADHS vermehrt solche mit einem besonderen Dopaminrezeptor – dieses Allel existiert jedoch seit über 40.000 Jahren und gewährte Jägern und Sammlern einen gewissen Selektionsvorteil bezüglich Neugier, Risikobereitschaft, Mut und Bewegungsverhalten. Innerhalb der letzten 100 Jahre haben sich die Gene der Menschen nicht maßgeblich verändert – wohl aber die Umwelt! Gottfried Fischer ist einer der Experten in der Ätiologieforschung. Die genaue Analyse einer Vielzahl sehr unterschiedlich belastender Faktoren (in Alltag, Schule, psychosozialem Umfeld, Stressverhalten und Ernährungsstil) hilft, neue Wege zu gehen. Jeder Therapeut, der mit Kindern arbeitet, sollte bezüglich traumaadaptierter Psychotherapie weitergebildet sein – und damit erkennen, wann Kinder psychotherapeutische Hilfe benötigen und besonders achtsame neuromuskuläre Myoreflex-Regulationen notwendig werden.
Dass Körper, Psyche, Seele und Gehirn nicht voneinander zu trennen sind, ist indes nichts Neues. Die Erfahrungsmedizin der chinesischen, tibetischen und ayurvedischen Kultur, welche das Konzept der Myoreflextherapie von Beginn an inspirativ mit geprägt haben, wussten schon immer, dass erst das harmonische Gleichgewicht zwischen Bewegungsverhalten, Umwelt, Emotion und Gefühlswelt, sozialem Umfeld und zentrierter Körperlichkeit Gesundheit möglich macht. Aus der engen Zusammenarbeit mit Gottfried Fischer leitete sich die fruchtbare Supervision und Zusammenarbeit mit dem Professor und Facharzt für Kinder und Jugendpsychiatrie Peter Riedesser ab. Als Chefarzt des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf und als Psychotraumatologe der ersten Stunde war er es, der in schwierigen Fällen nicht nur mit Rat und Tat zur Seite stand, sondern auch das gezielte Absetzen von Psychostimulanzien, Ritalin und Antidepressiva mittrug und komplexe Geschichten supervidierte.
Viele Erkenntnisse sind heute durch die moderne Hirnforschung abgesichert. Ebenso die Dynamik des positiven Veränderungspotentials. Mit Inspiration, strenger Schulung und geduldigem Lektorieren aller "Gehirn"-Aspekte standen und stehen uns der Physiker, Psychologe und Hirnforscher Günter Haffelder und die Neurobiologin und Hirnforscherin Gertraud Teuchert-Noodt zur Seite. Sie war die Vorreiterin im Fachbereich der Neurobiologie, welche den Themenbereich Neuroplastizität und Neurogenese schon vor über 30 Jahren postulierte. Heute bestätigen alle Hirnforscher genau diese Potentialität und Hoffnung für den Bereich der Entwicklungsfähigkeit in Richtung Entwicklungsaktivierung. Seit 2002 fördert Prof. Dr. Dr. Gertraud Teuchert-Noodt unsere Konzepte angewandter Hirnforschung in den Behandlungskonzepten für Kinder.