Zeitschrift für Psychotraumatologie, Psychotherapiewissenschaft und Psychologische Medizin (ZPPM)
Heft 2/2009, Themenschwerpunkt: Demenz
Demenz ist ein weites Feld. Zum einen bedarf es neurobiologischer Forschungen, die den Geist naturwissenschaftlich angehen. Zum anderen bedarf es geistes- und sozialwissenschaftlicher Erkundungen, die die Natur der Demenzerkrankungen von ihrer Warte aus beschreiben und verstehen. Die Beiträge in diesem Heft beleuchten einige wichtige Momente dieser bio-psycho-sozialen Gesamtthematik.
Die ZPPM ist eine Fachzeitschrift, die neueste Erkenntnisse und Forschungen aus dem Bereich der Psychotraumatologie vorstellt und diskutiert. Diese Ausgabe wurde herausgegeben von Gottfried Fischer, Kurt und Reiner Mosetter und erhält einen Artikel der Mosetter-Brüder zum Thema "Die Alzheimer-Erkrankung – ein mehrdimensionaler Prozess".
»Was müssen wir unter dem menschlichen Geist verstehen, wenn wir sehen, dass dieser Geist krank werden – und sterben kann?«
Thure von Uexküll
Weitere Artikel in diesem Heft:
- Josef Kessler, Elke Kalbe und Stephanie Kaesberg: "Kann man sich vor einer Demenz schützen?"
- Albert Wettstein: "Demenz als Trauma"
- Manfred Sauer und Sabine Emmerich: "Beziehungsgestaltung im Alter bei Hilfsbedürftigkeit und bei Demenz – das Entstehen einer gemeinsamen narrativen Wirklichkeit"
- Kurt Mosetter und Reiner Mosetter: "Die Alzheimer-Erkrankung – ein mehrdimensionaler Prozess"
- Barbara Benoit: "Unfall als Inszenierung gestörter zwischenmenschlicher Interaktionen"
- Peter Müller-Locher: "Psychotherapie als eigenständiges Wissensgebiet – Zur Aufgabe und Organisation der Schweizer Charta für Psychotherapie"
Josef Kessler, Elke Kalbe und Stephanie Kaesberg (Köln) stellen die verschiedenen Typen der Demenz vor. Demenzerkrankungen werden durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Bei der Alzheimer-Erkrankung etwa ist es bis heute nicht möglich, all ihre Faktoren und deren interne Wechselwirkungen zu benennen.
Albert Wettstein (Zürich) stellt anhand von fünf Fallbeispielen dar, welche Strategien Demenzkranke kompensatorisch einschlagen. Dabei wird deutlich, dass die betreuenden Angehörigen mehr leiden als die Betroffenen selbst. Bei Demenz-Erkrankungen bedürfen vor allem die Betreuungspersonen der Unterstützung, um sekundäre Leiden zu lindern. Je geringer belastet sie sind, desto emotional angenehmer ist das Leben für die Betroffenen. Es zeigt sich, dass wegen der starken Abhängigkeit der Belastung von subjektiven Elementen der Betreuung und von Beziehungsaspekten die therapeutischen Bemühungen sehr gezielt und individualisiert sein müssen. Von unspezifischen, nicht persönlichen Empfehlungen ist Abstand zu nehmen.
Manfred Sauer und Sabine Emmerich (Freiburg) beschreiben in ihrem Aufsatz über die Beziehungsgestaltung im Alter und bei Demenz zwei Charakteristika bei Demenzkranken. Infolge des Abbaus von Hirnfunktionen kommt es zu einem Versagen bei der Anpassung der Organismus-Umweltbeziehung. Darauf reagieren die Betroffenen in Form eines Rückschrittes in der Entwicklung. Dahinter steht sozusagen eine geheime Dynamik, die besagt, dass in der Demenz eine 'verborgene Existenzseite' zum Ausdruck kommt, die sich aber nur in Abhängigkeit von der Kompetenz der Umgebung artikulieren kann.
Kurt und Reiner Mosetter (Konstanz) betrachten die Alzheimer-Erkrankung in einer entwicklungs-theoretischen, dialektischen Herangehensweise als ein bio-psycho-soziales Gesamtgeschehen. Ihr Verlauf entspricht dabei den kognitiven Entwicklungs-Stufen nach Piaget, jedoch in umgekehrter Richtung. Mentale Funktionen und neuronale Strukturen können in diesem Rahmen als dynamische, prozessuale Größen aufgefasst werden. Auch die funktionelle Beschreibung der Gehirnstrukturen bei der Alzheimer-Erkrankung zeigt diese als Teilmomente einer entsprechenden Gesamtentwicklung und Grundätiologie. Auf der Ebene der Molekularbiologie und der neurobiochemischen Prozesse erweisen sich genetische Auffälligkeiten als nicht relevant. Die Hyperphosphorylierung des tau-Proteins und beta-Amyloid-Plaques zeigen sich als letzte Ausläufer einer Entgleisung des Insulinsystems. Die Alzheimer-Erkrankung ist dann als „Diabetes mellitus Typ 3“ zu verstehen.
Weitere Informationen sowie Zusammenfassungen der einzelnen Artikel finden Sie auf der Internetseite zu diesem Heft. Dort können Sie diese Ausgabe bestellen.
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